Abschied vom Bekannten – die Reise ins Unbekannte.
Von einer Moskauer Freundin wurden wir am Sonntag Abend im Auto zum Kazaner Bahnhof gefahren. Es regnete in Strömen und auch die kühlen 12° machten uns den Abschied nicht gerade schwer. Lediglich Moskau allgemein und unsere Freunde zurückzulassen war nicht gerade die einfachste Sache. Jetzt ging die transsibirische Reise so wirklich los – nächster Stop: Hauptstadt Tartastans, Kazan.
Die erste Zugfahrt ist überstanden und die etwa 12h in einem engen Bett auf etwa 1.5m Höhe brachten sogar etwas Schlaf. Die Erinnerung vom letzten Jahr, dass man sich jedes Mal beim Aufsitzen im Bett den Kopf stößt oder beim Raufklettern ins Bett wie ein kleiner Affe sich am Rahmen hochhantelt und dabei den Hinter schön auf den Gang rausstreckt – das hatten wir schon wieder verdrängt. Denn wieder schafften wir den Aufstieg weder graziler noch blieb es bei einem Mal Kopfanstoßen an der Gepäckablage darüber. Vielleicht beim nächsten Mal.

Die beiden Betten unter uns belegten zwei ältere Damen, gegen 65 vermutlich. Sie fanden es ziemlich amüsant, dass zwei junge Mädels wie wir alleine in Russland herumreisten. Nach dem ersten von uns ausgesprochenen Satz erkannten sie unseren ausländischen Akzent und redeten anschließend auf uns ein:
– Seid ihr beide schon verheiratet? Nein, ihr seid doch bestimmt noch nicht verheiratet, oder? Sucht ihr hier einen Mann? Heiratet nicht, bringt euch nichts Gutes. Ihr braucht wirklich nicht heiraten. Und wenn doch, dann sucht euch lieber jemanden von eurer Nationalität – keinen Russen! Ihr seid jung und hübsch, sucht euch einen von euch! (Wir wussten nicht recht, wie wir das auffassen sollten: Keinen Russen suchen, weil die Männer ihrer Meinung nach nicht so toll seien; oder keinen Russen suchen, sodass die russischen Männer den Russinnen bleiben? Wir wissen es immer noch nicht, welche Theorien ihnen da vorgeschwebt sind 🙂 )
– Besucht ihr jemanden oder fahrt ihr alleine? Wie, ihr fahrt ganz alleine an den Baikalsee? Passt auf auf euch, Mädls! So schwere Rucksäcke, und kein Mann, der euch hilft! (Jaja, hier würden die beiden Tratschtanten dann gerne wieder Männer dabei haben)
So ging es eine Zeit lang, es war wirklich sehr unterhaltsam. Im Endeffekt schlief ich dann aber wirklich gut, wenn man bedenkt, dass in dem Wagon mindestens 40 Personen schliefen und es mindestens 27 Grad hatte. Das war aber anscheinend nur ein Vorgeschmack auf Kazan, denn dort erwarteten uns pralle 30 Grad Hitze bei unserer Anreise um 8 Uhr morgens.
Früh morgens, Rucksäcke am Bahnhof waren dann endlich verstaut und untergebracht. Einen Kaffee bzw ein Café suchten wir nach der Ankunft ebenfqlls und fanden es in einem kleinen „Bar – Café“ neben dem Bahnhof (das spricht vermutlich schon für sich). Zwei ältere Herren saßen bereits auf den klapprigen Plastikstühlen und tranken ihr großes Bier. Während wir auf den Kaffee warteten, bestellte ein anderer Mann, um die 50 Jahre alt, Vodka. Bei einem normalgroßen österreichischen Stamperl hätte er vermutlich zu lachen begonnen, denn er bekam etwa einen halben Plastikbecher voll. Abwechselnd mit etwas Orangensaft genoss der Gute das gute Getränk um halb 9 (!) alleine auf einem der anderen Plastiktische. Neben uns nahmen dann noch andere Herrschaften mit Bier und Kvas (Brot-Biergetränk) Platz und der Kaffee blieb das einzige antialkoholische Getränk im Raum. Um halb neun Uhr früh.
Von den etwas eigenartigen Begegnungen erholt, fuhren wir dann zur Kirche aller Religionen. Schon bei meiner letzten Kazan-Reise hab ich sie besucht, doch diesmal bei fast 30 Grad mehr und natürlich ohne Schnee und Eis.

Mit einem Freund aus Kazan spazieren wir dann den Rest des Tages durch die Stadt, machten in einem russisch-tatarischem Restaurant eine Mittagspause und legten insgesamt über 20km an diesem Tag zurück. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an Damir, der dieses Mal bereits das zweite Mal die ganze Innenstadt mit mir abgelaufen ist und uns bei der Reise sehr unterstützt hat. Auch wenn sich sein deutscher Wortschatz auf wenige Phrasen beschränkt, ‚Noch ein Bier, bitte‘ wusste er auch bei seinen Deutschlandreisen schon gut einzusetzen 😉
Weil wir an einem Bahnhof in der Früh ankamen und wir nach Ekaterinburg aber von einem anderen Bahnhof abfuhren, begleitete uns Damir am Abend noch bis zum anderen Bahnhof, sodass wir auch sicher unsere weitere Reiseroute verfolgen konnten und nicht auf halber Strecke verloren gingen.
Zwei Nächte verbrachten wir nun durchgehend hintereinander im Zug, dementsprechend groß war unsere Freude auf die Unterkunft in Ekaterinburg Dienstag Mittag. Ohne Duschen und mit zu intensiver oder gar keiner Klimaanlage kann eine lange Fahrt dann schon auch anstrengend werden. Exklusive Zeitunterschied (+3 in Moskau und +5 in EKB) waren wir nun 14 Stunden von Montag Abend bis Dienstag Mittag unterwegs, und das soll sogar noch nicht mal die längste Teilstrecke gewesen sein! 🙂





Infos zum Transsib-Stop #1 in Moskau und die dortigen waghalsigen ‚Ausflüge‘ gibts im vorigen Beitrag. Der nächste Beitrag kommt dann zur Hauptstadt des Urals, Ekaterinburg, wo wir heute Mittag angekommen sind. Auch hier hatten wir wieder ganz besondere Erlebnisse im Zug haha, aber dazu später 😉
Alles Liebe aus Russland! 🙂